Gute Arbeit. Mindestlohn – endlich: für alle Frauen und Männer!

Margret Kiener Nellen, Nationalrätin BE

Margret Kiener Nellen, Nationalrätin BE
Rede zum 1. Mai 2014 in Biel (BE)

Chers enfants, chères et chers collègues
Liebe Kinder, liebe Frauen und Männer
Liebe Kolleginnen und Kollegen 

Der 1. Mai ist der einzige Feiertag, der auf der ganzen Welt begangen wird. 2014 feiern wir den Tag der Arbeit zum 124. Mal. Es freut mich sehr, hier in Biel/Bienne mit euch zusammen feiern zu dürfen. Es geht am 1. Mai seit jeher um Gerechtigkeit, Solidarität, gute Arbeitsbedingungen und Menschenrechte. Diese Werte zählen für uns alle – sie sind nötig für ein gutes Leben für alle – nicht nur für wenige. 

Dank jahrzehntelanger Solidarität und Arbeit hat die Gewerkschaftsbewegung in der Schweiz wichtige politische Errungenschaften erkämpft: die AHV, die Mutterschaftsversicherung, dank der die Geburtenrate wieder ansteigt und Mutter und Kind mindestens die ersten 14 Wochen frei von finanziellen Sorgen verbringen können. 2010 haben wir den Rentenklau bei den Pensionskassen versenkt.

Mindestlohninitiative: Ein wichtiger Schritt zu mehr Lohngleichstellung

Eine Schande für unser reiches Land Schweiz ist es, dass es hier immer noch Menschen gibt, welche auf Sozialhilfe angewiesen sind, obwohl sie voll arbeiten. Deshalb braucht es einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn, der nicht unterschritten werden darf.

Deshalb haben wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter Unterschriften gesammelt für die Mindestlohninitiative, über die in knapp drei Wochen abgestimmt wird. Und deshalb müssen wir alles unternehmen, damit die Mindestlohninitiative am 18. Mai angenommen wird. 

22 Franken Stundenlohn oder 4000 Franken Monatslohn für eine 100-Prozent-Stelle sind im Hochpreisland Schweiz kein Luxus. Auch sogenannt günstige Wohnungen sind hier nicht billig. Auch bei den Krankenkassenprämien lässt sich nicht sparen. Dazu kommen Essen und Kleider, kommt die von den Arbeitgebern verlangte Mobilität, kommen weitere Versicherungen, kommt vielleicht eine Zahnarztrechnung. Und so weiter… Wer hierzulande genug verdient, macht sich in der Regel wenig Gedanken darüber, wie hoch denn die Fixkosten sind, die es braucht, um nur den Grundbedarf zu zahlen. Um nicht am Existenzminimum, sondern anständig leben zu können, braucht es mehr als 4000 Franken. Das ist ja klar, muss aber immer wieder betont werden! 

Der Mindestlohn gilt für Frauen und Männer gleichermassen. Frau und Mann haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. So schreibt es die Bundesverfassung vor.

Die Bundesverfassung – 1999 von den Stimmberechtigten angenommen – ist ja eine gute Verbündete unserer Mindestlohninitiative. Schon in ihrem Vorwort – der Präambel – steht,„dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen“.

Die Mindestlohninitiative schützt Arbeitnehmende vor Lohndumping und verhindert, dass hart arbeitende Menschen trotz Vollzeitjob auf Sozialhilfe angewiesen sind. Wenn der Staat Unternehmen subventionieren will, dann bitte direkt und transparent. Und nicht, indem er zulässt oder gar fördert, dass voll Berufstätige den entwürdigenden Gang zum Sozialamt unter die Füsse nehmen müssen. Dass jedes zehnte Kind in Armut aufwachsen muss, weil die Löhne der Eltern nicht reichen. 

Frauen sind in dieser Hinsicht besonders benachteiligt. Denn noch immer verdienen sie für die gleiche Arbeit rund 19 Prozent weniger als Männer. Von den rund 330’000 Personen in der Schweiz, die weniger als 22 Franken brutto in der Stunde verdienen, sind zwei Drittel Frauen, die damit nicht nur über weniger Einkommen verfügen, sondern im Alter auch über tiefere Renten. Konkret:Über die Hälfte der heutigen Rentnerinnen haben heute nicht die volle AHV-Einzelrente von 2‘340 Franken pro Monat sowie kleine BVG-Renten.Das heisst: Jährliche Anträge auf Ergänzungsleistungen bis ans Lebensende. Viel Aufwand und Bürokratie ist damit verbunden. Der Mindestlohn ist daher zentral zur Äufnung besserer Altersrenten für alle.

Die Löhne in den Berufen mit einem hohen Frauenanteil wie Betreuung, Pflege, Bildung, Reinigung, Coiffeurgewerbe und weiteren Dienstleistungen müssen generell steigen. Diese Berufe müssen aufgewertet werden.

Besonders viele Tieflöhne werden im Detailhandel bezahlt. Hier gibt es mit Ausnahme der Grossverteiler Coop, Migros und Lidl, welche bereits heute die Mindestlöhne laut Initiative einhalten, besonders wenige Gesamtarbeitsverträge. Jede und jeder siebte Angestellte verdient hier weniger als 22 Franken pro Stunde und das, obwohl die Hälfte eine Lehre abgeschlossen hat. Besonders übel ist die Lage im Kleider- und Schuhhandel. Dort arbeitet ein Viertel des Verkaufspersonals für Löhne unter 22 Franken – und zwar bei bekannten Firmen wie Bata, Reno, Tally Weijl, Zara oder Zebra. Yendi zahlte letztes Jahr Bruttolöhne von 3200 Franken. 

Gleichzeitig häufen die Eigentümer dieser Ketten riesige Vermögen an. Die Familie Brenninkmeijer (C&A) zum Beispiel schafft es mit 14 bis 15 Milliarden Vermögen auf Platz 4 der aktuellen «Bilanz»-Reichstenliste. Auch Armenico Ortega (Zara) sowie die Familien Bata (Bata) und Deichmann (Dosenbach/Ochsner) scheffeln Milliarden und knausern dafür beim Personal, welches grösstenteils aus Frauen besteht. Stoppen wir dieses krasse Missverhältnis. Mit einem klaren Ja zur Mindestlohninitiative!

Wo sich Arbeitgeber weigern, Gesamtarbeitsverträge mit Mindestlöhnen abzuschliessen, braucht es dringend das Gesetz, braucht es den Durchbruch mit der Mindestlohninitiative. Nur 50 Prozent der Lohnabhängigen sind in der Schweiz einem GAV unterstellt. Noch tiefer ist hierzulande die Abdeckung mit Mindestlöhnen, nämlich nur 40 Prozent. So sind ausgerechnet viele Branchen mit tiefsten Löhnen ungeschützt. Damit liegt die Schweiz auf einem der hintersten Ränge in der westlichen Welt. Nur in den angelsächsischen Ländern und den vereinigten Staaten gibt es prozentual noch weniger GAVs als in der Schweiz. Dort mit verheerenden sozialen Folgen: Weitverbreitete bittere Armut und überfüllte Gefängnisse. Wollen wir das hier? 

Immerhin will in den USA die Regierung Obama jetzt Gegensteuer geben und plant die Einführung eines Mindestlohns. In Deutschland ist der Mindestlohn der grösste soziale Plan der heutigen Regierung. Die Einführung des Mindestlohns ist somit keine isolierte Massnahme der Schweiz. 

Mobilisieren wir gegen die geballte Angstmacherei der politisch Rechten, denn ihre Argumente sind irreführend:

  1. Mindestlöhne führen nicht zu mehr Arbeitslosigkeit. Viele Studien belegen es.
  2. 4000 Franken Mindestlohn sind kein Problem. Von wegen „weltrekordverdächtig“: Er würde die Lohnsumme in der Schweiz nur gerade um 4 Promille, nicht einmal ein halbes Prozent, erhöhen. Unsere Wirtschaft kann sich das längstens leisten.
  3. Was für die Unternehmen eine minimale Anstrengung ist, bringt 330‘000 Beschäftigten, davon über 220‘000 Frauen, und vor allem auch ihren Kindern, eine nötige Verbesserung der Lebensbedingungen.
  4. Sozialhilfe, Sozialwerke und damit alle Steuerzahlenden werden entlastet.
  5. Ein Mindestlohn stärkt die Wirtschaft, weil damit die Kaufkraft wächst.
  6. Dank dem Mindestlohn werden weniger billige Arbeitskräfte aus dem Ausland rekrutiert.
  7. Dank dem Mindestlohn gibt es weniger Schwarzarbeit, weil alle von ihrem Lohn leben können.

Nur abstimmen zu gehen genügt nicht. Sprecht deshalb mit euren Arbeitskolleginnen und -kollegen, mit euren Familienangehörigen, mit euren Freundinnen und Freunden und überzeugt sie, in den nächsten 18 Tagen ebenfalls abzustimmen und ein JA zur Mindestlohninitiative einzulegen. So können wir gewinnen. Jede Stimme zählt.

Es lebe der 1. Mai – vive le premier mai – viva il primo maggio!

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  • Die meisten Sektionen führen regelmässig Mitgliederversammlungen durch, um die aktuellsten politischen Themen und Aktivitäten zu besprechen. Die Teilnahme daran ist natürlich ebenfalls völlig freiwillig. Aber es kann ein guter Ort sein, um neue Leute kennenzulernen.
  • Falls Dich ein Themengebiet besonders bewegt, kannst Du Dich in einer Themenkommission der SP Schweiz oder Deiner Kantonalpartei engagieren, oder in einer der Unterorganisationen wie den SP Frauen, den SP Migrant:innen, der SP 60+ oder der SP queer.
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