Das Gesundheitssystem soll nicht auf Kosten der Schwächsten saniert werden. Gesundheitskosten und steigende Krankenkassenprämien gehören zu den grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung. Das profit- und wettbewerbsorientierte Gesundheitssystem wälzt die Kosten skrupellos auf die Versicherten ab, anstatt den Blick auf die Fehlanreize im Gesundheitssystem zu richten.
Resolution der Mitgliederkonferenz der SP60+ vom 13. Juni 2025
Die Mehrheit im Parlament will auf dem Buckel der Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen Gesundheitskosten senken. Dies zeigen die jüngsten Entscheide im National- und Ständerat, die Mindestfranchise der Grundversicherung, die heute 300 Franken beträgt, anzuheben – und der Mehrheit der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N), die eine Spitalnotfallpauschale von 50 Franken einführen will.
Das Gesundheitssystem ist krank
Das sind politische Entscheidungen gegen die Schwächsten und Schritte zur Zwei-Klassen-Medizin. Sie treffen chronisch Kranke, Finanzschwache und Rentnerinnen und Rentner besonders stark. Schon heute verzichtet jede fünfte Person in der Schweiz aus finanziellen Gründen auf medizinische Leistungen. Werden solche hinausgeschoben, steigt das Risiko, dass die Gesundheitsprobleme grösser und die Behandlungen aufwändiger und teurer werden.
Es ist an der Zeit, Diskussionen und Debatten darüber zu führen, wie das zersplitterte und unübersichtliche Gesundheitssystem mit seinen öffentlichen und privaten Akteur:innen und den vielen Zielkonflikten konsequent als Service public ausgerichtet wird. Gesundheitsleistungen umfassen die Gesundheitsförderung, Krankheits- und Unfallprävention sowie Pflege- und Betreuungsleistungen und sind öffentliche Aufgaben, die nicht profitorientiert sein dürfen. Deren Finanzierung muss solidarisch sein.
Gleichberechtigter Zugang zu Gesundheitsleistungen
Die SP60+ lanciert innerhalb der SP eine Diskussion darüber, mit welchen Mitteln und auf welchen Wegen die Schweiz zu einer Gesundheitspolitik kommt, die allen Menschen, unabhängig von ihrem sozialen Status, ihrem Wohnort und ihrem Gesundheitszustand einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen gewährleistet.
Die bestimmenden Gesundheitsfaktoren sind zahlreich, wobei der Zugang zur Gesundheitsversorgung 25 Prozent dieser Faktoren ausmacht. Es ist entscheidend, auch auf die anderen Faktoren einzuwirken, um die Gesundheit von Einzelpersonen und der Bevölkerung zu erhalten und zu verbessern.
Bei diesen anderen bestimmenden Faktoren handelt es sich um individuelle und biologische Merkmale wie Alter, Geschlecht, genetisches Erbe, Verhaltensweisen und Gewohnheiten. Der Gesundheitszustand hängt jedoch auch von den Lebensbedingungen ab, unter denen die einzelne Person aufgewachsen ist und sich weiterentwickelt hat: soziales Umfeld, Lebens- und Arbeitsbedingungen und, noch umfassender, die sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Bedingungen, unter denen der Mensch lebt.
Brandherd Gesundheitssystem
Die Lebenserwartung von 65-Jährigen bei guter Gesundheit variiert stark. Sie schwankt zwischen etwa zehn Jahren und 16 bis 18 Jahren, also fast um das Doppelte. Die grosse Kluft macht es dringend notwendig, diese Ungleichheiten zu korrigieren.
Die Versorgung älterer Menschen wird von 2030 bis 2060 aufgrund der demographischen Entwicklung voraussichtlich schwierig werden. Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften für betreuungs- und pflegebedürftige Menschen wird ein grosses Problem. Das heute bestehende Sozial- und Gesundheitswesen wird diese Leistungen nicht erbringen können.
Die Erhaltung und Verbesserung des Schweizer Gesundheitssystems ist eine grosse Herausforderung. Für die SP60+ darf sich daher die Debatte nicht auf eine reine Kostendiskussion beschränken, sondern muss die Forderung enthalten, das Gesundheitssystem als Service public anzuerkennen.
Gesundheitsartikel in der Bundesverfassung
Die Gesundheitspolitik muss auf Bundesebene demokratisch diskutiert werden, um einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen zu gewährleisten. Gesundheitsförderung, Krankheits- und Unfallprävention, medizinische Leistungen, Betreuung und Unterstützungsangebote zur Bewältigung des Alltags müssen dabei für alle Menschen, unabhängig von ihren biologischen und sozialen Merkmalen, ihrem Gesundheitszustand und ihrem Wohnort, zugänglich sein.
Wie die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) feststellt, ist die Aufnahme eines Gesundheitsartikels in die Bundesverfassung notwendig und vorrangig. Diese Verfassungsänderung wird Zeit brauchen und die politischen Akteur:innen nicht von der Pflicht befreien, Lösungen für die verschiedenen Probleme in den unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens zu finden.