Beat Jans: «Ein starker Mann löst seine Probleme ohne Gewalt»

Was beschäftigt Justizminister Beat Jans neben dem Asylwesen? Zum Beispiel die Gleichstellung, der Kampf gegen häusliche Gewalt, unser Verhältnis zu Europa – Themen, wo es uns Sozialdemokrat:innen heute besonders dringend braucht.

Interview von Pia Wildberger

Viel Einfluss, spannende Arbeit - du bist sicher gerne Bundesrat. Was gefällt dir am Bundesrat-Dasein weniger?

Das stimmt. Meine politische Arbeit ist intensiv und unglaublich interessant, ich mache sie sehr gerne. Was ich schwieriger finde und womit ich nicht gerechnet habe, sind die Abwehrkämpfe, die wir Sozialdemokrat:innen führen müssen. Unsere Werte werden in Frage gestellt. Es gibt global eine starke Welle Richtung Isolationismus, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und einen wachsenden Männlichkeitswahn in der Politik. In diesen Zeiten ist es umso wichtiger, dass wir nicht nachlassen und Empathie, Menschenrechte, Gleichstellung und Demokratie hochhalten. Uns braucht es jetzt erst recht.

Nachdem du in Basel das Gleichstellungsgesetz lanciert hast, bist du nun auch auf eidgenössischer Ebene für die Gleichstellung zuständig. Welche Pflöcke hast du schon einschlagen können?

Bei der Lohngleichheit bleiben wir dran. Mehr als die Hälfte der Unternehmen erfüllt die gesetzlichen Pflichten bei der Lohngleichheitsanalyse nicht. Deshalb haben wir beschlossen, die Wirkungsanalyse vorzuziehen und aufgrund der Ergebnisse dann weitere Vorschläge zu machen. Es bleibt für mich und, wie ich glaube, auch für die Gesellschaft ein wichtiges Anliegen, dass diese Ungerechtigkeit behoben wird.

Häusliche Gewalt ist in der Schweiz ein anhaltendes Problem. Die dokumentierten Fälle nehmen zu. Was läuft falsch?

Wir haben hier eine gesellschaftliche Bedrohung, die wir nicht ignorieren dürfen. Für mich ist das neue Opferhilfegesetz ein ganz wichtiger Schritt. Die Vernehmlassung verlief positiv, die Kantone waren sehr unterstützend. Das Gesetz will künftig hohe Standards etablieren: Rund um die Uhr spezialisierte Fachkräfte, optimale medizinische und psychologische Beratung, sofortige Beweissicherung. Und die Kantone haben zusätzlich gefordert, dass es in allen Kantonen Schutzräume gibt für Opfer, die nicht mehr zuhause sein können. Aus meiner Sicht ist das zwingend nötig. Der Bundesrat hat die Botschaft vor wenigen Tagen verabschiedet.

Weshalb nimmt die häusliche Gewalt zu?

Es fehlen abschliessende Analysen. Aber der wachsende Männlichkeitswahn, den ich vorher beschrieben habe, mag eine Rolle spielen. Für mich ist es als Mann und als Polizei- und Justizdirektor wichtig aufzuzeigen, dass Dominanz und Gewalt nie ein Zeichen der Stärke sind. Im Gegenteil: Ein starker Mann löst seine Probleme ohne Gewalt.

Der Femizid ist die Spitze der Gewaltspirale. Du warst in Spanien, wo Gewalt gegen Frauen abgenommen hat. Welche Massnahme hat dich besonders überzeugt?

Der Schlüssel in Spanien ist der gesamtgesellschaftliche Ansatz. Das Problem wird als gesamtgesellschaftliche Herausforderung verstanden. Vor allem haben die Behörden mit dem Electronic Monitoring eine innovative Massnahme ergriffen, die die Zahl der Femizide heruntergebracht hat. Spanien hat viermal weniger Femizide pro Kopf als die Schweiz. Auf kantonaler Ebene laufen bei uns erste Pilotprojekte mit dem Electronic Monitoring. Sobald diese ausgewertet sind, können wir diese Massnahme zusammen mit den Kantonen weiter vorantreiben.

In nächster Zeit werden wir vermehrt den Blick nach Europa richten. Soeben wurde die Vernehmlassung zu den Bilateralen III abgeschlossen. Ohne in die technischen Details zu gehen - weshalb sind die Bilateralen Verträge überhaupt so wichtig?

Wenn europäische Länder von Osten militärisch und von Westen handelspolitisch angegriffen werden, ist es wichtig, dass wir zusammenstehen. Es geht um gemeinsame Werte wie Freiheit, Demokratie und Rechtssicherheit. Wenn wir beim Status quo bleiben, laufen die Bilateralen aus und werden nicht aufdatiert. Darum ist das keine Option. Die Bilateralen III sind für die vielen exportorientierten KMUs wichtig. Aber auch für die 470'000 Schweizerinnen und Schweizer, die in der EU leben, für uns Konsumierende, die wir sichere Produkte wünschen, und für unsere junge Generation, der wir beste Forschungs- und Bildungsmöglichkeiten bieten wollen.

Was entgegnest du als Justizminister den Populisten, die behaupten, mit der dynamischen Rechtsübernahme werde die direkte Demokratie untergraben?

Alle unsere demokratischen Rechte bleiben bestehen. Gleichzeitig hat die dynamische Rechtsübernahme auch Vorteile für uns. Für die Unternehmen ist wichtig, dass in der Schweiz und in der EU im Grundsatz die gleichen Regeln gelten. Sie gewinnen dadurch Planungs- und Rechtssicherheit und können ihre Produkte einfacher in die EU exportieren. Zudem findet die dynamische Rechtsübernahme auch nur bei den Themen der bilateralen Verträge statt. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt unserer Beziehungen zur EU. Wir können zu jeder Änderung auch nein sagen. Ganz wichtig für die Menschen in der Schweiz ist zudem, dass wir allfällige Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen und beim Lohnschutz nicht übernehmen müssen.

Sind sich die Schweiz und die EU uneins, ist ein Schiedsgericht vorgesehen - die SVP nennt das «Fremde Richter». Warum stimmt das nicht?

Im Streitfall entscheidet ein Schiedsgericht. Dieses ist paritätisch zusammengesetzt: gleich viele Richter:innen aus der Schweiz wie aus der EU. Zusammen wählen sie eine Präsidentin oder einen Präsidenten. Wir haben also unsere eigenen Richter:innen, die massgeblich an wichtigen Entscheiden beteiligt sind. Das Schiedsgericht verhängt auch keine Sanktionen, sondern bestimmt, ob Ausgleichsmassnahmen verhältnismässig sind, und sorgt dafür, dass keine Seite im Vorteil ist, weil sie Regeln nicht einhält. Das ist ein klarer Fortschritt.

Gibt es andere Themen, die dich besonders beschäftigen?

Ja, die «Keine-10-Millionen-Schweiz»-Initiative der SVP. Der Bundesrat lehnt sie ab, weil sie keine Lösungen schafft, sondern im Gegenteil grosse Probleme und Herausforderungen mit sich bringt. Sie ist eine Bedrohung für unseren Wohlstand und unsere Sicherheit und stellt den bilateralen Weg infrage. Schauen wir nach Grossbritannien, was die Aufkündigung der Personenfreizügigkeit gebracht hat: Die Zuwanderung ist nicht gesunken, im Gegenteil. Wirtschaftlich geht es den Menschen mit dem Brexit schlechter, und die Kaufkraft ist besorgniserregend stark gesunken.

Trotzdem: Wer eine bezahlbare Wohnung sucht, sucht häufig vergeblich. Die Infrastruktur ist überlastet. Das sind reale Probleme. Was sagst du diesen Leuten?

Die Wohnungsnot und den Ausbau der Infrastruktur müssen wir ernst nehmen. Der Bundesrat hat entsprechende Begleitmassnahmen getroffen. Ich habe mich zum Beispiel für die Aufstockung des Fonds de Roulement eingesetzt, der den Ausbau des gemeinnützigen Wohnungsbaus ermöglicht. Das ist der richtige Weg - nicht eine Initiative, die den bilateralen Weg zerstören will.

Und worüber hast du dich zuletzt am meisten gefreut?

Über die Fortschritte bei der Revision des Schuld- und Konkursbetreibungsgesetzes. Es geht darum, eine der grössten Armutsfallen - die lebenslange Verschuldung - anzugehen und überschuldeten Menschen auch in der Schweiz eine zweite Chance zu ermöglichen. Die Rechtskommission des Nationalrats hat zugestimmt. Ich habe als Bundesrat Handlungsspielraum. Den versuche ich für uns und unsere Werte zu nutzen.

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