Von Cédric Wermuth, Co-Parteipräsident
Am 28. September stimmt die Schweizer Bevölkerung über den sogenannten Systemwechsel bei den Liegenschaftssteuern ab. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich eine der umstrittensten Steuerreformen der letzten Jahre – mit weitreichenden Folgen für Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen, Familien und Mieter:innen. De facto käme die Reform schlicht einer milliardenschweren Umverteilung von unten nach oben gleich.
Wer hat, dem wird gegeben
Kern des Projekts ist die Abschaffung des Eigenmietwerts. Mit dem Eigenmietwert wird heute ein Ausgleich geschaffen für die zahlreichen Privilegien, die Immobilienbesitzer:innen gegenüber Mieter:innen haben. Bereits heute sind Immobilienbesitzer:innen steuerlich bevorteilt: Für den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung können sie Gelder aus der zweiten und dritten Säule steuerbegünstigt einbringen. Hinzu kommt, dass der Eigenmietwert häufig unter dem Marktwert festgesetzt wird. Allein diese Punkte schaffen Steuerprivilegien in Höhe von über zwei Milliarden Franken.
Kantone künden happige Steuererhöhungen an
Für die reichsten Immobilienbesitzer:innen kommen mit der Vorlage noch weitere massive Steuererleichterungen oben drauf. Die breite Bevölkerung hingegen hätte an den Folgen der Vorlage schwer zu tragen. Die Ausfälle bei Bund, Kantonen und Gemeinden summieren sich gemäss aktuellen Schätzungen auf rund zwei Milliarden Franken pro Jahr.
Diese Milliarden müssen irgendwo wieder hereinkommen. Mehrere Kantone haben bereits offen kommuniziert, dass sie die Steuern erhöhen müssten: Im Tessin rechnet die Regierung mit einem Anstieg von 7,5 Prozent, in Zürich mit rund 3 Prozent. Durchschnittlich bedeutet das: Jede Familie und jeder Haushalt bezahlt künftig rund 500 Franken mehr Steuern – pro Jahr.
Mieter:innen werden doppelt zur Kasse gebeten
Noch härter trifft es die Mieter:innen. Schon bisher sind die Wohnkosten stark gestiegen: Seit 2005 nahmen die Mieten um fast 25 Prozent zu, obwohl sie eigentlich deutlich tiefer liegen müssten – vorausgesetzt, die Einhaltung der entsprechenden Gesetze würde kontrolliert. Der Systemwechsel verschärft die Ungleichheit. Mietende zahlen nicht nur weiter zu hohe Zinsen, sondern werden über höhere Steuern gleich doppelt belastet.
Kantonale Finanzdirektor:innen wehren sich
Besonders alarmierend sind die langfristigen finanziellen Folgen: Selbst bei konservativen Annahmen summieren sich die Ausfälle innerhalb von zehn Jahren auf über 20 Milliarden Franken. Geld, das in den Kantonen für Bildung, Gesundheit, Klimaschutz oder Infrastruktur fehlen wird.
Die vorgeschlagene Kompensationsmassnahme, die sogenannte Objektsteuer, vermag nicht zu überzeugen: Genau die Kantone, deren Ausfälle damit kompensiert werden sollten, halten sie für untauglich. Besonders treffen werden die Ausfälle die Berg- und Tourismuskantone. Deshalb wehren sie sich zusammen mit der Finanzdirektor:innenkonferenz der Kantone und dem Gemeindeverband gegen die Vorlage.
Die vorgeschlagene Kompensationsmassnahme, die so genannte Objektsteuer, vermag nicht zu überzeugen: Genau die Kantone, deren Ausfälle damit kompensiert werden sollten, halten sie für untauglich. Besonders treffen werden die Ausfälle die Berg- und Tourismuskantone. Deshalb wehren sie sich zusammen mit der Finanzdirektor:innenkonferenz der Kantone und dem Gemeindeverband gegen die Vorlage.
In Tat und Wahrheit ein Umverteilungsprogramm
Der Systemwechsel mag «kleinen» Hausbesitzer:innen einige Franken Steuerersparnis bringen, massiv entlastet wird aber nur eine kleine Minderheit. Bezahlen dürften das – einmal mehr – Familien, Mieter:innen, Haushalte mit kleinem Budget. Was als Steuerreform verkauft wird, ist in Wahrheit ein milliardenschweres Umverteilungsprogramm.
Reichste profitieren am meisten vom Systemwechsel bei der Liegenschaftssteuer
Nicht alle Wohneigentümer:innen profitieren gleich stark von der geplanten Abschaffung des Eigenmietwerts. Besonders Reiche ziehen den grössten Nutzen aus der Vorlage. Dafür gibt es drei Gründe:
- Wer in einem grossen, teuren Haus an bester Lage wohnt, kann mit deutlich höheren Steuererleichterungen rechnen als jemand in einer bescheideneren Eigentumswohnung.
- In Zukunft können weder Hypothekarzinsen noch notwendige Renovationskosten von den Steuern abgezogen werden. Davon profitieren besonders diejenigen, die ihr Haus bereits abbezahlt und saniert haben – oft sind das die wohlhabenderen Haushalte.
- Für Menschen mit hohem Einkommen fällt der Eigenmietwert steuerlich stärker ins Gewicht. Wegen der Steuerprogression – also dem Prinzip, dass höhere Einkommen prozentual stärker besteuert werden – bringt ihnen die Abschaffung deutlich mehr Entlastung als Haushalten mit geringem Einkommen.
Kurz gesagt: Die Steuerreform rund um den Eigenmietwert entlastet nicht alle gleich – es profitieren besonders jene, die bereits viel besitzen.