Von Marianne Ott, Rechtsanwältin in Winterthur
Im Pensionsalter stellen sich für viele ähnliche Fragen: Sie möchten die zu gross gewordene, selbstbewohnte Liegenschaft an ihre Nachkommen weitergeben – und das nicht erst, wenn das «Kind» selbst im AHVAlter steht. Sondern bereits dann, wenn der Sohn oder die Tochter eine Familie plant oder aus anderen Gründen mehr Platz braucht, aber sich ein fremdes Eigenheim nicht leisten kann. Häufig wollen die Eltern ihr Haus deshalb nicht zu einem teuren Marktpreis, sondern zu einem reduzierten «Familienpreis» oder sogar unentgeltlich der nächsten Generation überlassen.
Das kann im Moment sinnvoll sein. Oft kommt es jedoch später, typischerweise nach dem Tod der Eltern, unter Geschwistern zu Streit. Bei der Erbteilung stehen dann nicht die vielleicht 100 000 Franken im Zentrum, um die das Haus seinerzeit günstiger überlassen wurde. Vielmehr geht es um die Anteile an der inzwischen eingetretenen Wertsteigerung. Denn vielerorts ist der Wert von Wohnliegenschaften in den letzten 20 Jahren um 100 Prozent gestiegen. Es kann also um grosse Beträge gehen.
Der gerechte Ausgleich
Grundsätzlich ist dieser ökonomische Vorteil bei der Erbteilung auszugleichen. Das entspricht dem gerechten erbrechtlichen Grundsatz, wonach Geschwister untereinander gleichzustellen sind. Der Ausgleich kann jedoch dazu führen, dass der ursprünglich begünstigte Nachkomme in Schwierigkeiten gerät, wenn dieser Ausgleich tatsächlich bezahlt werden muss.
Die Eltern haben verschiedene Möglichkeiten, das Problem zu entschärfen und eine für alle Kinder faire Lösung zu finden: Sie können im Testament oder Erbvertrag festlegen, dass für den Erbvorbezug im Zusammenhang mit der elterlichen Liegenschaft nur eine beschränkte oder keine erbrechtliche Ausgleichung unter den Geschwistern erfolgt. Im Gegenzug können sie den Geschwistern ein Gewinnanteilsrecht einräumen, falls das übernehmende Kind das Elternhaus an Dritte verkauft und damit die Wertsteigerung tatsächlich realisiert.
Gespräch zu Lebzeiten
Wichtig ist, dass sich die Eltern der Problematik bewusst sind und sich überlegen, wie sie den Spagat zwischen Gleichbehandlung der Kinder und praktischer Umsetzbarkeit am besten lösen. Es ist hilfreich, wenn Eltern ihre erbrechtliche Planung zu Lebzeiten mit den Nachkommen besprechen. Was in der Familie diskutiert und den Nachkommen im Gespräch erklärt wurde, wird besser aufgenommen und später – wenn die Eltern nicht mehr gefragt werden können – eher akzeptiert. Das beugt auch Meinungsverschiedenheiten vor.
Korrigenda
In einer früheren Fassung dieses Artikels bezeichneten wir die Autorin fälschlicherweise als Notarin - ein Titel, der im Kanton Zürich Amtspersonen vorbehalten ist. Wir entschuldigen uns für den Fehler. Marianne Ott ist Rechtsanwältin in Winterthur.