Mit dem «Fall Beznau» greift Doris Leuthard die Gewaltenteilung frontal an

Mit der Vernehmlassung des UVEK zur Verwässerung der Grenzwerte für Atomkraftwerke erhält das Vorgehen der Behörden bei Beschwerden gegen die Aufsichtsbehörde ENSI juristisch eine völlig neue Dimension. Der Bundesrat unter Federführung des UVEK schickt sich nämlich an, in ein laufendes Gerichtsverfahren einzugreifen. Und indem er prospektiv ankündigt, die kritischen Grenzwerte ausser Kraft zu setzen, die vom AKW Beznau – und nur von diesem – überschritten werden, hat dies eine Vorwirkung auf den Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Das ENSI ignoriert geltende Gesetze und beruft sich dabei stets auf «langjährige Praxis» oder auf «internationale Vorgaben», wobei es einen grossen Bogen macht um die nationalen Bestimmungen, die in der schweizerischen Gesetzgebung verankert sind.

Aus dem Bestreben des ENSI, nun eine Änderung der für die Gesundheit der Bevölkerung entscheidenden Grenzwerte zu veranlassen, lässt sich ebenfalls erkennen, dass die Beznau-Beschwerde für das ENSI zu einem Riesenproblem geworden ist. Denn Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht könnten den Klägerinnen und Klägern ja plötzlich recht geben, wie dies schon bei der grundsätzlichen Frage der Klageberechtigung von Privatpersonen der Fall war, die vom ENSI ebenfalls bestritten wurde.

Weitere Fragen stellen sich zur Beeinflussung der Gerichte durch den Bundesrat. Das UVEK gibt vor, die heutige Verordnung sei «missverständlich», was in Wirklichkeit keineswegs der Fall ist. die Grenzwerte sind glasklar, und sie werden ebenso glasklar und aktenkundig vom ENSI ignoriert.

Die Beschwerdeführer verlangen auch keine Änderung der geltenden Verordnung, wie einige Medien berichteten, und es müssten auch keineswegs alle Atomkraftwerke in der Schweiz geschlossen werden, wenn man die Grenzwerte respektiert. Einzig im Fall Beznau werden die Grenzwerte aktenkundig überschritten. Es geht um die Durchsetzung des geltenden schweizerischen Rechts beim ältesten Atomkraftwerk der Welt. Gerade hier greift der Bundesrat gegenüber den Gerichten ein, indem er die geltende Regelung als missverständlich tituliert und signalisiert: «Ihr könnt entscheiden, was Ihr wollt, wir werden den Entscheid materiell umstossen».  Die Initiative geht von Doris Leuthard aus, die im Parlament im Vorfeld der Abstimmung über den Atomausstieg zusicherte, «dass wir die Spielregeln nicht während des Spiels wechseln».  Und weiter: «Für uns ist die Sicherheit massgebend. Sie ist im heute bestehenden Gesetz definiert; da sagt auch das ENSI nichts anderes.» es geht um eine Kehrtwende von 180 Grad.

Organisiertes Wegschauen

Dabei muss man wissen, wie das Parlament und der Bundesrat mit Sicherheitsfragen von Kernkraftwerken normalerweise umgeht. Gibt es neue Atom-Unfälle oder strittige Sicherheitsfragen, läuft es im Parlament regelmässig so: Der Bundesrat und die bürgerlichen Politiker weisen in den zuständigen Kommissionen auf das angeblich unabhängige ENSI. Dieses allein sei für die Überwachung zuständig, Ende der Diskussion!

Dann wird das ENSI in die Kommissionen vorgeladen. Es beschwichtigt und verweist auf die Verantwortung der Betreiber für die Sicherheit. Und für die Sicherheitsnormen selber seien die Parlamentarier zuständig, welche die aktuellen Gesetze erlassen hätten. Und dann gäbe es ja noch den Rechtsweg, den in diesem Land jede und jeder beschreiten könne.

Danach kommen die Betreiber der Kernkraftwerke zu Wort. Sie verweisen ebenfalls auf das ENSI, das immer alles abgesegnet habe und sowieso alles kontrolliere. So geht das Schwarz-Peter-Spiel im Kreis und verantwortlich fühlt sich letztlich keine Instanz, solange kein grosser Unfall passiert ist.

Nur: In Mühleberg hat ein Stresstest-Team aus internationalen Experten innert kürzester Zeit herausgefunden, dass das ENSI unfähig war, eine diversifizierte Notkühlung, die zentralste aller Aufgaben in einem Atomkraftwerk, effektiv sicherzustellen.

Im Fall von Beznau will das ENSI nun genau jene Gerichtsentscheide ins Leere laufen lassen, den es selber als Option für misstrauische Bürger gerne ins Spiel bringt.

Die dritte Gewalt wäre entscheidend wichtig

Fazit: Ohne wirkungsvolle gerichtliche Überprüfung der Aufsichtstätigkeit des ENSI sind die gesetzlichen Sicherheiten wertlos, und das ENSI wird noch jahrzehntelang willkürlich ans Werk gehen, ungenügende Atomanlagen durchwinken, sich an Gesetze halten oder öfters eben nicht. 

Wenn das ENSI merkt, dass ihm der Bundesrat jeweils zu Hilfe eilt, um Vorschriften abzuschwächen, die zu einer Abschaltung führen könnten, dann bedeutet das Grünes Licht für alle Betreiber, wonach man Sicherheitsvorschriften nur zum Schein nach einhalten muss. Wir sind dann wieder beim Zustand von vor 2006, wo alle Beschwerden in Atomfragen vom Bundesrat behandelt wurden, und tausendfach im Papierkorb landeten. Das UVEK riskiert mit seinem Vorgehen eine Verluderung des Rechtsstaats.

Wenn es zur neuen Rechtspraxis wird, dass man Vorschriften nach Belieben anwendet oder eben nicht, dann werden die ur-alten Atomkraftwerke zu Atomzeitbomben.

Nach fünf Kernschmelzen in Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima dachte ich eigentlich, Doris Leuthard hätte inzwischen einiges dazugelernt. Es wäre noch immer nicht verboten, gescheiter zu werden.

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed

Du hast Fragen zur Mitgliedschaft oder dem Mitgliedschaftsformular? Wir helfen gerne.

Häufige Fragen

Am einfachsten, indem Du online das Beitrittsformular nebenan ausfüllst.

Du kannst selbst entscheiden, welches Engagement für Dich am besten passt.

  • Wenn Du wenig Zeit hast, ist es absolut in Ordnung, wenn Dein Engagement sich vor allem darauf beschränkt, Deinen Mitgliederbeitrag zu bezahlen. Auch das hilft uns sehr, um die Schweiz und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
  • Die Sektion, bei welcher Du Mitglied bist, wird Dich eventuell hin und wieder anfragen, ob Du Zeit hättest, bei einer Standaktion, einer Unterschriftensammlung oder einer Telefonaktion mitzumachen. Falls Dir das zusagt, sind wir sehr froh darüber – aber es ist natürlich völlig freiwillig.
  • Die meisten Sektionen führen regelmässig Mitgliederversammlungen durch, um die aktuellsten politischen Themen und Aktivitäten zu besprechen. Die Teilnahme daran ist natürlich ebenfalls völlig freiwillig. Aber es kann ein guter Ort sein, um neue Leute kennenzulernen.
  • Falls Dich ein Themengebiet besonders bewegt, kannst Du Dich in einer Themenkommission der SP Schweiz oder Deiner Kantonalpartei engagieren, oder in einer der Unterorganisationen wie den SP Frauen, den SP Migrant:innen, der SP 60+ oder der SP queer.
  • Häufig gibt es auch die Möglichkeit, ein partei-internes Amt, z.B. im Vorstand Deiner Sektion zu übernehmen.
  • Falls Du das möchtest, kannst Du mit Deiner Sektion auch Kontakt aufnehmen, um über eine Kandidatur für eine öffentliches Amt zu sprechen, z.B. in der Schulpflege Deines Wohnortes.

Um unsere Werte verteidigen zu können, braucht es finanzielle Mittel. Die SP ist eine Mitgliederpartei und schöpft ihre Stärke aus dem Engagement ihrer Mitglieder.
Die Mitgliederbeiträge werden von den Kantonalparteien und den Sektionen unterschiedlich festgelegt und sind abhängig von Deinem steuerbaren Einkommen. Wir folgen unseren eigenen politischen Forderungen: Wer wenig verdient, bezahlt wenig, und wer viel verdient, beteiligt sich mehr an den Kosten von Partei und Politik.
In der Regel fallen jährlich je nach Einkommen Kosten zwischen circa 80 und einigen Hundert Franken an. Die Mitgliederbeiträge werden jährlich erhoben.

Ja, selbstverständlich! Du kannst der SP beitreten, ohne den Schweizer Pass zu haben. Denn alle Menschen, die in der Schweiz leben, sollen in der Politik mitdiskutieren können.

Du hast verschiedene Möglichkeiten, Dich einzubringen. Wenn Du an Deinem Wohnort aktiv werden möchtest, wendest Du Dich am besten an die Sektion Deiner Gemeinde oder Deines Quartiers. Diese ist auch die richtige Anlaufstelle für den Einsatz in einem öffentlichen Amt (Gemeinderat, Schulpflege, Sozialbehörde…).
Du kannst Dein Wissen und Können auch innerhalb der Partei einbringen. Die SP sucht immer Leute, die sich in der Parteiorganisation engagieren (Gemeinde, Bezirk, Kanton, Themenkommissionen).

Melde Dein Interesse bei den Verantwortlichen Deiner Ortssektion an. Die Sektion nominiert SP-Kandidierende für öffentliche Ämter, sei dies für den Gemeinderat oder die lokalen Schul-, Sozial- oder Finanzbehörden. Die Ortssektion bildet oft auch für Ämter auf übergeordneter Ebene (Kantons- oder Grossrat) den Ausgangspunkt des parteiinternen Nominationsprozesses.

Abgesehen von der Zahlung des jährlichen Mitgliederbeitrags gehst Du keine Verpflichtungen ein. Voraussetzung für den Beitritt ist eine inhaltliche Nähe. Dies bedingt jedoch nicht, dass Du in allen Fragen mit der SP gleicher Meinung sein musst.

Die Statuten der SP Schweiz verbieten die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Schweizer Parteien.
Doppelbürger:innen können Mitglied der SP Schweiz und Mitglied einer ausländischen Schwesterpartei sein, beispielsweise der deutschen SPD oder des italienischen Partito Democratico. Die Mitgliedschaft bei der SP Schweiz ist für Angehörige von Schwesterparteien gratis, sofern sie belegen können, dass sie in ihrem Heimatland Mitgliederbeiträge an eine Sozialdemokratische Partei entrichten.

Ja. Auch im Ausland kannst du dich als Mitglied der SP Schweiz in die Politik einbringen. Wenn Du Deinen Wohnsitz im Ausland hast, wirst du automatisch Mitglied der SP International.

Für JUSO-Mitglieder besteht bis zum Alter von 26 Jahren die Möglichkeit einer kostenlosen SP-Mitgliedschaft. Ein entsprechender Antrag kann per Mail an [email protected] gestellt werden.

Das bietet Dir die SP

Was Du von der SP erwarten darfst.

Du bist nah dran an der Politik: Wir schicken Dir unsere Aufrufe, Newsletter sowie sechs Mal jährlich unser Mitgliedermagazin „links“. Du kannst Dich mit Gleichgesinnten vernetzen.

Du kannst von andern lernen und Dich mit Deinem Wissen und Können auf verschiedenen Ebenen in der Partei einbringen.
Gemeinsam schaffen wir eine bessere Zukunft!

Keine Demokratie ohne Bildung. Wir bieten Dir Webinare und Seminare zu Hintergrundwissen und aktuellen politischen Themen.