«Mit Schreiben vom 3. September 2025 hat das Schwyzer Bildungsdepartement den Schulträgern
folgendes mitgeteilt: “Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Volksschulen (…) Der Schwy-
zer Regierungsrat hat kürzlich an einer Sitzung bekräftigt, dass an den Schwyzer Volksschulen ge-
mäss § 2 des Volksschulgesetzes der Grundsatz der konfessionellen Neutralität gilt. Er legt diesen
Grundsatz so aus, dass es Lehrerinnen im Kanton Schwyz (…) untersagt ist, im Unterricht ein Kopf-
tuch zu tragen. Dies entspricht im Übrigen auch der geltenden bundesgerichtlichen Rechtspre-
chung.”
Aufgrund dieser Haltung des Regierungsrats hat sich kürzlich – in Zeiten des Lehrpersonenmangels
– eine angehende PH-Studentin dazu entschieden, das Studium doch nicht anzutreten.
Gemäss Art. 15 der Bundesverfassung ist die Glaubensfreiheit gewährleistet und jede Person hat das
Recht, ihre Religion frei zu wählen und sich dazu zu bekennen. Gemäss Rechtsprechung des Bun-
desgerichts (Leitentscheid zur Klosterschule Kathi Wil, Urteil 2C_405/2022 vom 17. Januar 2025,
E. 6) dient dieses Grundrecht insbesondere dazu, den religiösen Frieden zu sichern und die Ausgren-
zung und Diskriminierung von Minderheiten zu verhindern. Die Neutralitätspflicht verbietet eine Par-
teinahme des Staates zugunsten oder zuungunsten einer bestimmten Religion und damit jede Son-
derbehandlung von Angehörigen einer Religion. Diese Rechtsprechung leuchtet ein. Gemäss Bundesgericht kann die religiöse Neutralität auf zwei Arten umgesetzt werden. Die erste
Möglichkeit besteht in der strikten Trennung von Staat und Religion («laizistische Staatstradition»).
Die zweite Möglichkeit besteht darin, keine strikte Trennung zu vollziehen, aber allen Religionen und
Weltanschauungen mit der gleichermassen offenen Haltung zu begegnen («staatliche Neutralität»).
Bildungsdepartement bzw. Regierungsrat berufen sich auf ein Urteil des Bundesgerichts von 1997.
Darin schützte das Bundesgericht zwar das Genfer Kopftuchverbot. Entscheidend war dabei jedoch
die laizistische Staatstradition des Kantons Genf und die Annahme, dass in Genf für Lehrpersonen
sämtliche religiösen Symbole, unabhängig von der Konfession, unzulässig waren (BGE 123 I 296).
Im besagten Urteil liess das Bundesgericht in keiner Weise zu, religiöse Symbole nur einer einzigen
Religion zu verbieten.
Die Unterzeichnenden tendieren eher zur zweiten Möglichkeit (staatliche Neutralität) und damit
dazu, dass es in einer pluralistischen Gesellschaft möglich sein sollte, dass Lehrpersonen mit unter-
schiedlichen Überzeugungen sich gemäss diesen kleiden können und beispielsweise die Einsiedler
Mönche weiterhin in ihren Ordenskutten (bzw. der Abt inkl. grossen Eisenkreuzes auf der Brust) un-
terrichten dürfen, eine Lehrperson ein (sichtbares) Kreuz um den Hals tragen darf oder eine Muslima
mit Kopftuch unterrichten darf, falls sie sich hierfür entscheidet. Schliesslich gehört es auch zu ei-
ner pluralistischen Gesellschaft, dass Kinder lernen, dass es die unterschiedlichsten Menschen gibt
und man unterschiedliche religiöse Überzeugungen tolerieren kann und soll, unabhängig davon, ob
man sie selbst sinnvoll findet oder nicht.
Auch die Umsetzung eines strengen Laizismus wäre grundsätzlich vertretbar. Klar ist jedoch, dass
die religiöse Neutralität auf jeden Fall gewahrt werden und eine Ausgrenzung und Diskriminierung
von Minderheiten verhindert werden muss – wie es auch unsere Verfassung vorgibt. Aktuell scheint
die Schwyzer Regierung mit ihrer Haltung die Verfassung jedoch zu verletzen. Denn indem sie nur
den Angehörigen einer bestimmten Religion das erkennbare Tragen von religiös geprägter Kleidung
verbietet, anderen jedoch nicht, verhält sie sich nicht neutral und diskriminiert eine Minderheit.
Für uns stellen sich deshalb folgende Fragen:
1. Wie versteht der Regierungsrat den Begriff der religiösen Neutralität?
2. Geht er für den Kanton Schwyz von der «laizistischen Staatstradition» oder von der «staatlichen
Neutralität» aus?
3. Falls der Regierungsrat den Begriff der religiösen Neutralität anders definiert als das Bundesge-
richt im Urteil Kathi Wil (E. 6): Wie kommt der Regierungsrat dazu, sich über die Rechtspre-
chung des Bundesgerichts hinwegzusetzen?
4. Falls er ihn gleich definiert wie das Bundesgericht im Urteil Kathi Wil: Wie setzt der Regierungs-
rat die religiöse Neutralität unparteiisch und gleichmässig (E. 6.4.1) um? Insbesondere stellen
sich für uns folgende Fragen:
a. Dürfte eine christliche Ordensfrau mit Kopftuch noch im Kanton Schwyz unterrichten,
wie das früher beispielsweise am Theresianum Ingenbohl der Fall war?
b. Aufgrund der Leistungsvereinbarung und der finanziellen Beiträge des Kantons ist ge-
mäss Bundesgericht auch die Stiftschule Einsiedeln an die Grundrechte gebunden. Für
die Einhaltung der Grundrechte durch die Stiftschule ist der Kanton verantwortlich (siehe
Kathi Wil, E. 5.3 f.). Will der Regierungsrat nun den unterrichtenden Mönchen an der
Stiftschule das Tragen ihrer Ordenskleider oder andernfalls das Unterrichten verbieten?
c. Will der Regierungsrat verbieten, dass Lehrpersonen andere sichtbare religiöse Symbole
wie z.B. Halsketten mit sichtbaren Kreuzen tragen?
d. Das Aufhängen von religiösen Symbolen an öffentlichen Schulen kann unabhängig von
der konkreten Umsetzung nie religiös neutral sein und ist deshalb generell nicht zulässig
(BGE 116 Ia 252). Trotzdem hängen an Schwyzer Schulen vereinzelt noch Kruzifixe.
Setzt der Regierungsrat durch, dass in keiner einzigen Schwyzer Schule mehr Kruzifixe
oder andere religiöse Symbole hängen? Wie und bis wann?
e. Falls der Regierungsrat die Punkte a bis d mindestens teilweise weiterhin zulässt: Wie
vereinbart er diese ungleichmässige und parteiische Behandlung mit der religiösen Neut-
ralität?
5. Sieht der Regierungsrat ein, dass sein Kopftuchverbot die religiöse Neutralität verletzt und wird
er diesen Fehler korrigieren?
Wir bedanken uns für die Beantwortung unserer Fragen.»