Resolution der SP Migrant:innen Schweiz am Parteitag der SP Schweiz vom 25. Oktober 2025 in Sursee
Ausschaffen, ausschaffen, ausschaffen. Das ist die Hauptformel der Schweizer Asylpolitik. Und mit der Reform des GEAS (Gemeinsames europäisches Asylsystem) wird das noch einfacher. Die Reform des GEAS sieht Verschärfungen für schutzsuchende Personen vor, die das Recht auf Asyl in bisher ungekanntem Mass einschränkt. Es ist ein de facto Ende des Rechts auf Asyl. Mit der Reform ist nicht mehr der individuelle Fluchtgrund entscheidend für die Überprüfung des Asylstatus und der Aufnahme von schutzsuchenden Leuten. Nun wird relevant, aus welchem Herkunftsland die Menschen kommen und über welche Staaten sie geflohen sind. Wenn die schutzsuchende Person aus einem Herkunftsland kommt, wo die Anerkennungsquote unter 20 Prozent liegt, hat die Person keine Chance mehr auf Asyl. Die Türkei, Afghanistan und Syrien haben heute eine Anerkennungsquote von unter 20 Prozent. Heute wird diesen Personen das Verfahren enorm erschwert. So weit, dass sie ihr Recht auf Asyl nicht sachgerecht nachweisen können.
Die Schweiz sieht die Reform bloss als Effizienzsteigerung des Dublin-Systems. Dies ist jedoch irreführend, denn die Massnahmen zielen vor allem auf einen Ausbau des Überwachungsstaates auf Kosten der Schwächsten ab. Für die Schweiz bedeutet die Übernahme der GEAS-Reform den leisen Abbau der Grundrechte von schutzsuchenden Menschen. Neu können Zwangsmassnahmen gegenüber Kindern ab sechs Jahren angewendet werden, um zum Beispiel ihre Fingerabdrücke zu erfassen oder um sie in die vermeintlich zuständigen Mitgliedstaaten auszuschaffen. Datenschutz? Fehlanzeige! Die neu eingeführten Datenschutzregelungen der EU gelten nicht für geflüchtete Menschen, von welchen Personendaten auf Vorrat gesammelt und zwischen den Staaten frei geteilt werden. Es wird vermehrt zu massiven Freiheitseinschränkungen unter haftähnlichen Bedingungen ohne richterliche Überprüfung und Rechtsvertretung kommen und mit der Übernahme der AMMV (Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung), einem Teil der GEAS-Reform, können auch minderjährige Kinder und Jugendliche neu in EU-Länder ausgeschafft werden.
Mit dem sogenannten Solidaritätsmechanismus wird eine Schein-Verbesserung von asylsuchenden Menschen propagiert. Wenn in einem Land «besonderer Migrationsdruck» besteht, soll es Unterstützung von den anderen Staaten erhalten. Finanzielle Hilfe, Personal entsenden, oder Geflüchtete übernehmen. Es geht um Solidarität unter den Staaten – es sei den Zweitstaaten wie die Schweiz kaufen sich frei und finanzieren damit weitere Abschottungsmassnahmen. In der Herbstsession 2025 tauchte die Forderung auf, den Solidaritätsmechanismus – trotz Freiwilligkeit – zu übernehmen. Die Bürgerlichen haben den bereits mangelhaften Mechanismus noch weiter abgeschwächt. Die Rede ist unter anderem von der Anknüpfung an die Bedingung, dass sich die EU-Staaten an ihre (Rück)Übernahmepflichten halten. Ob sich die Schweiz ablasshändlerisch mit Zahlungen aus der Solidarität rauskaufen wird oder Geflüchtete aufnehmen wird, kann nicht vorhergesagt werden.
Die GEAS-Reform ist für die EU-Staaten bereits kalter Kaffee. Forderungen nach mehr und härteren Verschärfungen liegen bereits auf dem Tisch. Auch die Schweiz verschärft seit Jahrzehnten ihre Asyl- und Migrationspolitik auf Kosten von Menschen, die sich kaum wehren können und keine politische Lobby haben. Doch die aktuelle Reform ist nicht nur eine Gefahr für geflüchtete Menschen, sondern auch für die Grundrechte aller Menschen. Die SP Schweiz darf bei dieser leisen Entrechtung von schutzsuchenden Personen nicht mitmachen.
Unsere Rolle als Linke ist es, dem aktuellen Migrations- und Grenzregime eine demokratische Vision einer Aufenthalts- und Bewegungsfreiheit für alle entgegenzusetzen. Die Alternativlosigkeit ist kein Argument für die GEAS. Wir haben eine Alternative zu schaffen.
Wir fordern die SP-Fraktion der Bundesversammlung sowie das Präsidium der SP Schweiz auf, sich für folgende Ziele einzusetzen:
- Die SP setzt sich für eine europäisch koordinierte, rechtsstaatlich aufgebaute und humanitäre Asylpolitik ein.
- Die SP setzt sich stärker für verbesserte Bedingungen von schutzsuchenden Personen ein. In den Räten setzt sie sich für die Einführung des subsidiären Schutzstatus ein.
- Die SP bietet im Rahmen ihres nationalen Bildungsprogrammes regelmässig Bildungsangebote zu den Themen Migration und Asyl an.
- Die SP setzt sich dafür ein, dass die Schweiz Kriterien für das Selbsteintrittsrecht einführt, unter welchen die Schweiz selbst eine materielle Prüfung der Schutzgesuche vornimmt, auch wenn sie gar nicht dafür «zuständig» ist.
- Die SP setzt sich für einen Datenschutz für alle ein. Flucht und Migration sind keine Verbrechen und Daten auf Vorrat und ohne Einwilligung zu sammeln, ist ein unzulässiger Grundrechtseingriff.
Quelle: Schlussdokumentation zum Parteitag der SP Schweiz vom 25.10.2025