0.6631 Prozent

Yvonne Beutler, Vorsteherin Departement Finanzen, Winterthur

Yvonne Beutler, Vorsteherin Departement Finanzen, Winterthur
Winterthur hat kein Unwort, sondern eine Unzahl des Jahres: 0.6631 Prozent. Um genau so viel – hat die GLP berechnet – muss der Brutto(!)-Aufwand gekürzt werden, damit am Ende in etwas so viel zusammengestrichen ist, dass auf die beantragte Steuererhöhung um 5 Prozentpunkte (13 Mio. Franken) verzichtet werden kann.

Eines muss man den GLPlern lassen: Dreisatz-Rechnen können sie. Begründet wurden diese rund 50 Anträge mit dem immer gleichen stereotypen Satz: „Weniger Anschaffung Mobilien, weniger Dienstleistungen Dritter, weniger Betriebs- und Verbrauchsmaterial sowie Priorisierung der Informatikprojekte nach Nutzen und Effizienzgewinn“. Womit man den GLPlern gleich noch etwas lassen muss: auch die Copy-Paste-Tasten beherrschen sie ausgezeichnet. 

Wegen dieser profunden Begründungen waren sie wie auch ihre Freunde von CVP, FDP und SVP der tiefen Überzeugung, dass es sich hierbei nicht etwa um pauschale Kürzungen handle, denn diese wären ja rechtlich nicht zulässig. So wurde denn fleissig quer durchs Budget gestrichen – paradoxerweise auch in refinanzierten oder gebührenfinanzierten Bereichen, bei gebundenen Ausgaben oder dort, wo durch einen sinkenden Aufwand auch die Erträge entfallen, weil beispielsweise nur die Vollkosten verrechnet werden dürfen. Hauptsache 0.6631 Prozent. 

Habe ich übrigens schon erwähnt, dass keiner dieser Anträge in einer vorberatenden Sachkommission diskutiert wurde? So fand denn eine muntere Kommissions-Sitzung während der Budgetdebatte statt: die GLP stellte Anträge, der Stadtrat informierte über deren Auswirkungen, die Sparallianz maulte, so sei es dann also schon nicht gemeint, der Stadtrat trötzle oder nötige gar das Parlament und so weiter und so fort, rund 16 Stunden lang. Was wir Stadträtinnen und Stadträte sagten, hatte keinerlei Bedeutung – wir hätten gerade so gut 7 Wahlplakate auf unsere Stühle kleben können. Das folgende Zitat eines Freisinnigen Gemeinderats bringt denn auch die ganze Debatte auf den Punkt: „Wir sparen, egal, ob es etwas bringt oder nicht.“ Und so resultierte dann am Ende des Tages oder besser der Nacht ein Budget, aus welchem einfach so viele Zahlen herausgestrichen wurde, dass auf dem Papier auf die notwendige Steuererhöhung verzichtet werden konnte. 

Immerhin weiss ich nun, wie die von den Bürgerlichen immer wieder geforderte „nachhaltige Finanzpolitik“ aussieht: Defizit verdoppeln, Reserven auflösen, Einmaleffekte erzielen und durch absurde, nicht umsetzbare Anträge die Schuldenbremse umgehen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Ohne darauf zu achten, dass in diesem Budget bereits das grösste Sanierungsprogramm der Stadt in der Höhe von 50 Mio. Franken enthalten ist. Ohne sich darum zu kümmern, wie respektlos dieses Verhalten  gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist. Und vor allem: ohne Verantwortung zu übernehmen. 

P.S.: Und zu guter Letzt hat sich doch tatsächlich der Gemeinderat sein eigenes Budget  um 50’000 Franken erhöht:  für den Fall, dass der Stadtrat eine Beschwerde gegen den Budgetbeschluss einreichen würde, müsste sich der Gemeinderat ja juristisch wehren können. Die „weniger  Dienstleistungen Dritter“ lassen grüssen.

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