„Der Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose“

Das Stromgesetz, über das wir am 9. Juni abstimmen, fördert die Stromproduktion aus Sonne, Wind und Wasser und stärkt den Klimaschutz. Doch wo und wie sollen erneuerbare Energien zugebaut werden? Wie haben einen Augenschein genommen und an verschiedenen Orten nachgefragt.

Von Pia Wildberger

Ortstermin in der beschaulichen Gemeinde Oberhof (AG), die von der Nachbargemeinde Wölflinswil nur durch eine Hochspannungsleitung getrennt wird. Auf den Jurahöhen sollen fünf Windturbinen gebaut werden. «Dort hinter der Bergkuppe», sagt Heinz Herzog von der SP, Vize-Ammann der 600-Seelen-Gemeinde, und deutet auf die Krete auf der anderen Talseite, die auf Solothurner und Aargauer Boden liegt. Auf der Anhöhe soll genug Strom produziert werden, um den Bedarf fast aller Haushalte einer Stadt in der Grösse von Aarau zu decken.

Doch wann es soweit sein wird, steht in den Sternen. Dabei ist das Projekt Burg – die Turbinen kommen auf der Burgmatte zu stehen – schon recht weit fortgeschritten und dürfte bald vor dem Bewilligungsverfahren stehen. Es begann 2008 und hat bereits Referenden und Gemeindeabstimmungen überstanden. Derzeit steckt es wegen mehrerer Einsprachen unter anderem auch beim Regierungsrat fest. Die Diskussion ist bisweilen verbissen – in einem Dorf, in dem sich fast alle kennen oder verwandt sind, teilen sich Familien und Freunde ins Pro- und ins Kontra-Lager.

Im Fadenkreuz von drei AKWs

Die Einsprecher von Wölflinswil und Oberhof machen vor allem den Landschaftsschutz geltend und geisseln das Projekt auf ihrer Website als «rücksichtslos» und «masslos». Vize-Ammann Heinz Herzog kann da nur den Kopf schütteln. «Die Projektverantwortlichen haben sehr viel gemacht, um den Einsprechern entgegenzukommen.» Auch die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Geolog:innen haben grünes Licht gegeben.

Die Turbinen werden dereinst nicht auf Wölflinswiler Boden zu stehen kommen, sind aber von dort aus gut sichtbar. Doch auch Ursula Nakamura von der SP Wölflinswil kann die Argumente der Gegner nicht nachvollziehen: «Wir leben hier im Fadenkreuz von drei Atomkraftwerken, aber die Leute konzentrieren ihre Ängste auf Windräder und blenden die grossen Gefahren aus.» Für sie ist klar: «Das Stromgesetz ist die Antwort auf die überflüssige Diskussion über neue AKWs.»

Bald mehr erneuerbare Energie als Atomstrom

Im Kampf gegen die Klimakrise müssen wir dringend und beschleunigt erneuerbare Energien zubauen. Gerade im Winter leistet die Windenergie einen wichtigen Beitrag, um die Stromlücke zu stopfen, denn Turbinen produzieren zwei Drittel des Stroms im Winterhalbjahr. Bis es auch auf den Jurahöhen bei Aarau soweit ist, dürfte es noch dauern, denn die Gegner haben bereits angekündigt, bis vor Bundesgericht zu gehen. Wenn wir das Netto-Null-Ziel erreichen wollen, ist ein Ausbau der Windkraft jedoch dringend.

Das Stromgesetz gibt verbindlichen Ziele für den Ausbau vor: Bis 2035 soll die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien – im wesentlichen Wind und Sonne – auf 35 Terawattstunden (TWh) ausgebaut werden. Das ist mehr Strom, als die Atomkraftwerke 2023 produziert haben (rund 23 TWh). Doch der Weg zu mehr Klimaschutz ist weit. Gemäss dem Branchenverband Swissolar deckt die Solarenergie heute zehn Prozent des Verbrauchs, Tendenz stark steigend. Zum Vergleich: Die Schweiz verbraucht pro Jahr insgesamt rund 60 TWh.

Rasch und günstig lassen sich Solaranlagen realisieren. Mehr als 80 Prozent des geplanten Zubaus entfällt darum auf Sonnenstrom auf Dächern und auf bestehenden Infrastrukturen des Bundes. Für neue Gebäude mit einer Fläche von 300 Quadratmetern oder mehr gilt zudem neu eine Solarpflicht. Um jedoch sicher durch den Winter zu kommen, sind zusätzliche Wasser- und Windkraftwerke sowie Solaranlagen in den Bergen notwendig. Alpine Solaranlagen liefern 40 bis 50 Prozent ihres Stroms im Winter. Viel Sonne, Schnee, der das Sonnenlicht zusätzlich reflektiert, und kaum Nebel führen zu einer hohen Produktion.

Winterstrom aus den Alpen

Vor diesem Hintergrund richten sich die Blicke ins Bündnerland und ins Wallis. Hier sind die Solar-Grossanlagen geplant, die die Winterstromlücke verkleinern sollen. An den Gemeindeversammlungen und bei Urnenabstimmungen haben diese Projekte jedoch häufig einen schweren Stand. Nicht so in Davos. Auf der Totalp im Gebiet Parsenn entsteht eine Solar-Grossanlage, die Strom für rund 3000 Haushaltungen liefern wird. Die Stimmberechtigten stimmten dem Projekt im vergangenen Dezember mit grossem Mehr zu. Die Anlage liegt im Skigebiet, ist bereits erschlossen und erstreckt sich auf eine Fläche, die kaum landwirtschaftlich genutzt wird – sie heisst nicht von ungefähr «Totalp». «Das hat die Leute überzeugt», sagt Joshua Verhoeven, Präsident der SP Davos. Wichtig: Das Projekt wird vom Davoser Elektrizitätswerk und weiteren lokalen Elektrizitätswerken zusammen mit der Swisspower AG realisiert.

Was mir nicht nützt...

Der lokale Bezug und die notwendige Überzeugungsarbeit spielen eine grosse Rolle. «Die Leute müssen den Nutzen sehen», sagt Sebastian Werlen, Vize-Präsident der SP Oberwallis. Sonst zieht die Bevölkerung den Projekten den Stecker. Etliche der geplanten Solaranlagen mussten entsprechend bereits redimensioniert oder eingestellt werden.

Doch es geht auch im Wallis, wie das Beispiel von Anniviers zeigt. An der Gemeindeversammlung stimmten die Stimmbürger:innen nahezu geschlossen dem Solarprojekt von Gemeinderat, Bergbahnen und Alpiq zu. Auf 2450 Meter Höhe soll im Skigebiet eine Anlage entstehen, die jährlich Strom für 3500 Haushalte liefert, die Hälfte davon im Winter. Dem Gemeinderat ist es gelungen, die Bedenken zu zerstreuen – weder der Skitourismus noch die Alpwirtschaft sind tangiert – und die Bürger:innen von den Vorteilen zu überzeugen.

Auch im Val d’Anniviers ist klar: Damit wir die Klimaziele erreichen und den Atomstrom ersetzen, müssen wir mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien aus Wind, Wasser und Sonne endlich vorwärts machen. Um es mit den Worten von Sebastian Werlen zu sagen: «Denn der Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose.»

Was will das Stromgesetz?

Mehr Wasserkraftwerke, mehr Solarpanels und Windräder: Mit dem Stromgesetz sollen mehr erneuerbare Energien zugebaut werden. Dafür gibt es länger Fördergelder und Bewilligungsverfahren werden erleichtert.

Was heisst das in Zahlen?

Um das Klima zu schützen und die Versorgungssicherheit zu stärken, definiert das Stromgesetz konkrete Ziele: Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien wie Wind und Solar soll bis 2035 deutlich steigen (mindestens 35 TWh, 30 TWh mehr als heute) und die Wasserkraft leicht ausgebaut werden (37,9 TWh, 0,5 TWh mehr als heute). Zusätzlich soll mit Effizienzsteigerungen Strom gespart werden (2 TWh Reduktion des Bedarfs).

Welches sind die wichtigsten Massnahmen?

  • Solarpflicht: Auf Dächern und Fassaden, die neu gebaut werden und über 300 Quadratmeter gross sind, müssen künftig Solarpanels montiert werden.
  • Mehr Wasserkraft:16 Wasserkraftprojekte profitieren von erleichterten Bewilligungen und sollen damit schneller gebaut werden, damit mehr Strom produziert und gespeichert werden kann. Diese Projekte wurden am «Runden Tisch» unter der früheren Bundesrätin Simonetta Sommaruga zusammen mit den Umweltorganisationen ausgehandelt und ins Stromgesetz übernommen.
  • Bessere Koordination: Alpine Solaranlagen sind eine sinnvolle Ergänzung zum Solarausbau auf und an bestehenden Gebäuden.  Sie sollen gemäss Gesetz nun besser koordiniert werden. Die Interessen des Landschafts- und Biotopschutzes sowie der Landwirtschaft werden dabei ebenfalls wirkungsvollberücksichtigt. Das fördert Projekte mit einem ausgewogenen Verhältnis von Kosten und Nutzen.
  • Kostendeckende Minimalvergütung für alle: Ins Netz eingespeister Solarstrom von privaten Anlagen soll von den Elektrizitätswerken obligatorisch abgenommen und mit einer kostendeckenden Minimalvergütung abgegolten werden.

Fazit

Das Stromgesetz ist ein wichtiger Schritt, um endlich weg von (ausländischem) Öl und Gas zu kommen. Mit einem JA zu dieser Vorlage werden Klimaschutz und Versorgungssicherheit gestärkt.

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