Hedy Burgener, erste Urner SP-Landrätin und Vorkämpferin der Alpeninitiative
Politik wurde in der Beiz gemacht. Dort durften Frauen servieren, dienen und blöde Sprüche anhören. Das Weltbild konservativer Männer war bestimmt durch Wilhelm Tell, die Wehrpflicht und die Grenzbesetzung. Doch auch gewisse Frauen waren gegen das Frauenstimmrecht. Sie waren häufig mit einflussreichen Männern verheiratet. Es hiess dann «Isch das jetzt nötig?».
Es war dringend nötig. Frauenrechte sind Menschenrechte. So wurden die gleichen Rechte für Mann und Frau 1981 von den Frauen angenommen. Die Hälfte der Männer stimmte dagegen.
Ich bin auf einem liberalen Bauernhof im Luzerner Hinterland aufgewachsen. Unangefochtene «Chefin» war die Grossmutter. Als gelernte Köchin arbeitete ich dann lange im Kolping in Luzern. Ich bin sozial und bescheiden. Vielleicht bin ich mir deshalb nicht benachteiligt vorgekommen. Seit über 50 Jahren lebe ich nun in Erstfeld. Schon bevor ich Kinder bekam, habe ich mich immer engagiert. Ich habe geholfen, wo es nötig war und angepackt, was ging – angefangen bei der Kindergartenkommission. So wurde ich später für den Landrat aufgestellt und siegte in einer Kampfwahl. Aber als Linke haben wir im Kanton Uri wenig Stich. Das Frauenstimmrecht haben die Männer seinerzeit mit 63 Prozent verworfen.
Jahrelang setzte ich mich an vorderster Front für die Alpeninitiative ein, als sie noch von allen belächelt wurde. Ich sammelte Unterschriften, diskutierte, hielt über 150 Vorträge in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland. Es war die interessanteste Zeit meines Lebens.
Frauen müssen die Gleichstellung selbst in die Hände nehmen. Solange im Parlament nicht die Mehrheit in Frauenhand ist, wird die Gleichstellung nicht verwirklicht. Es gibt auch im Privaten viel zu tun. Frauen, die sich bei Mann und Kindern ständig für ihr Engagement ausser Haus rechtfertigen müssen, können keine Karriere machen. Auch im Arbeitsleben sind noch viele Forderungen für Gerechtigkeit und Gleichstellung offen. Betreuungsstrukturen für Kinder und gleicher Lohn für gleiche Arbeit sind nur zwei davon.»
Tiziana Mona, erste Nachrichtensprecherin Europas
Anfang der 70er Jahre war alles möglich, es herrschte Aufbruchstimmung. Ich reiste für längere Zeit in die USA und lernte dort die Grössen der feministischen Bewegung kennen, Kate Millet, Betty Friedan, Barbara Steinem, Robin Morgan. Zurück am Leutschenbach moderierte ich weiter das «Telegiornale» und machte hinter den Kulissen Karriere – ich wurde Sendeleiterin und Inlandchefin, ab Mitte der 90er Jahre war ich bei der Generaldirektion der SRG SSR in Bern für TV-Programme und internationale Zusammenarbeit zuständig. Von 1980 bis 1994 präsidierte ich auch die Gewerkschaft SSM, und fast wäre ich Anfang der 90er Jahre Präsidentin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds geworden. Bitter war, dass mir ausgerechnet ein paar Frauen-Stimmen fehlten, wie mir später zugetragen wurde.
Manchen Frauen fehlt es auch heute noch an Selbstbewusstsein. Man sollte Empowerment-Kurse für Frauen machen! Frauen, traut euch und nehmt die Dinge an die Hand! Auch mit der Frauen-Solidarität ist es manchmal nicht weit her. Gerade im Arbeitsalltag sollten Frauen mit einer Leitungsfunktion Frauen fördern und dafür sorgen, dass die Frauen-Kultur besser im Unternehmen verankert wird. Denn schliesslich ist die Gleichstellung immer eine Machtfrage.»
Gabrielle Nanchen, erste Nationalrätin der SP
Auch heute sind bestimmte gesellschaftliche Gruppen in der Schweiz nicht stimmberechtigt. Was jetzt in Genf passiert, wird sich hoffentlich in der ganzen Schweiz durchsetzen. In Genf haben Menschen mit einer «geistigen Behinderung» kürzlich ihre Bürgerrechte zurückbekommen. Sie dürfen stimmen und wählen gehen. Wir können auch über die Städte sprechen, in denen Ausländer:innen das Stimmrecht haben, sofern sie seit einer gewissen Zeit in der Schweiz leben. Ich hoffe, dass dies überall möglich wird. Dies umso mehr, als sich diese Menschen oft stärker am öffentlichen Geschehen beteiligen als viele Schweizerinnen und Schweizer, die der Urne fernbleiben.
Es sind schwierige Zeiten. Aber man darf die Hoffnung nicht verlieren. Wir alle wissen, dass jede Krise das Beste und das Schlimmste hervorbringt. Die Krise, die wir gerade durchleben, zeigt uns deutlich, dass wir auch in der Schweiz in einer Gesellschaft der zwei Geschwindigkeiten leben. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Der Schriftsteller Georges Bernanos schrieb: ‘Wir erleiden die Zukunft nicht, wir machen sie.’ Genau das ist es, was ich glaube.»