«Zu krank für den Arbeitsmarkt, zu gesund für die IV»

Wer lange Sozialhilfe bezieht, hat meist Gesundheitsprobleme. Knapp zwei Drittel der Langzeitbeziehenden in der Sozialhilfe leiden nachweisbar unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Risikogruppen für den Langzeitbezug von Sozialhilfe sind über 45-jährige und Menschen ohne Berufsausbildung.

Der «Kennzahlenvergleich zur Sozialhilfe in den Schweizer Städten», an dem 13 Städte beteiligt sind, zeigt auf: Die Sozialhilfequote ist weitgehend stabil, der Fallanstieg entwickelt sich in etwa im Gleichschritt mit der Bevölkerungsentwicklung. Nach wie vor sind die Städte aber sehr unterschiedlich betroffen: Entscheidend sind Faktoren wie soziodemografische Zusammensetzung, Grösse, Lage und Zentrumsfunktion einer Stadt, der lokale Arbeitsmarkt oder die Wohnungssituation. Finanziell besonders belastet sind Städte und Gemeinden, die entsprechend ungünstige Voraussetzungen aufweisen in Kantonen, in denen die Kommunen einen hohen Anteil an den Sozialhilfekosten übernehmen müssen und die über keinen ausreichenden Soziallastenausgleich verfügen. Eine zunehmende Anzahl von betroffenen Städten und Gemeinden setzt sich in diesen Kantonen immer dezidierter dafür ein, dass die Soziallasten gerecht verteilt werden. Dies entspricht auch einer zentralen Forderung der Städteinitiative Sozialpolitik, der 60 Städte angehören.

Der diesjährige Schwerpunkt des Kennzahlenberichtes ist dem Langzeitbezug in der Sozialhilfe gewidmet. Zwar gelingt es nach wie vor, einen grossen Anteil der Sozialhilfebeziehenden abzulösen: Ein Fünftel bis ein Drittel jener Personen, die im Laufe des vergangenen Sozialhilfe bezogen haben, konnte aus der Sozialhilfe abgelöst werden. Davon war rund die Hälfte der abgelösten Personen weniger als ein Jahr in der Sozialhilfe. Es ist aber auch eine Gruppe von Menschen zu beobachten, die immer länger in der Sozialhilfe verweilt. Je länger der Sozialhilfebezug, desto schwieriger wird es, diese Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies führt dazu, dass die durchschnittliche Bezugsdauer in der Sozialhilfe steigt: Von 32 Monaten 2006 auf 40 Monate im Jahr 2014. In einer repräsentativen Stichprobenerhebung wurden daher Sozialhilfefälle analysiert, die seit mehr als drei Jahren Sozialhilfe beziehen.

Es ist aber auch eine Gruppe von Menschen zu beobachten, die immer länger in der Sozialhilfe verweilt. Je länger der Sozialhilfebezug, desto schwieriger wird es, diese Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Typische Risikofaktoren für eine lange Unterstützungsdauer durch die Sozialhilfe sind Alter (über 45 Jahre alt), geringe oder keine Berufsausbildung, keine Erwerbstätigkeit (wegen Gesundheit, Familienpflichten, Ausbildung) oder Familien mit mehreren Kindern, wobei das jüngste noch nicht zur Schule geht.

Im Durchschnitt aller Städte verfügen 57 Prozent der Langzeitbeziehenden über keine berufliche Ausbildung. Die letzte Erwerbstätigkeit liegt fast vier Jahre zurück und war oft im Niedriglohnbereich mit prekären Arbeitsbedingungen (Arbeit auf Abruf, befristete Stellen).

Frappant ist die gesundheitliche Situation von Menschen, die seit mehr als drei Jahren auf Sozialhilfe angewiesen sind. Knapp 63 Prozent haben belegte gesundheitliche Beeinträchtigungen. Davon sind etwa 40 Prozent physische Einschränkungen aufgrund von Unfall oder Krankheit, rund 20 Prozent haben ein akutes Suchtproblem, gut 10 Prozent eine ärztlich attestierte Depression und rund 30 Prozent eine andere psychische Krankheit. Bei einer Mehrheit der Personen mit Gesundheitsproblemen haben die zuständigen Sozialdienste eine IV-Rente in Betracht gezogen. Knapp 10 Prozent erhalten heute eine IV-Rente oder -Teilrente, deren Höhe jedoch nicht zur Existenzsicherung reicht und durch die Sozialhilfe ergänzt wird. Im Durchschnitt aller Städte wurde ein Viertel der IV-Anträge von Langzeitbeziehenden abgelehnt. Keine IV-Anmeldungen erfolgen bei Suchtkrankheiten, da diese grundsätzlich keinen Anspruch auf IV begründen.

Frappant ist die gesundheitliche Situation von Menschen, die seit mehr als drei Jahren auf Sozialhilfe angewiesen sind. Knapp 63 Prozent haben belegte gesundheitliche Beeinträchtigungen. 

Angesichts der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, aber auch bei den vorgelagerten Sozialversicherungssystemen, insbesondere der Invalidenversicherung, werden wir uns wohl künftig mit der unangenehmen Realität auseinandersetzen müssen, dass ein Teil von Personen lange Zeit bis dauerhaft in der Sozialhilfe verweilen wird – wofür diese ursprünglich nicht gedacht war.

Dennoch gibt es auch Ansätze, um den Entwicklungen entgegenzuwirken respektive den Erkenntnissen aus der Studie angemessen zu begegnen. Getreu dem Grundsatz «je früher, desto besser», stehen dabei fünf Bereiche im Zentrum:
 

  1. In Bildung investieren: Lebenslanges Lernen ist die beste Massnahme gegen das Risiko, auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Auch hier ist die frühestmögliche Intervention die wirksamste und kostengünstige: Die Frühförderung.
  2. Vorgelagerte Unterstützungssysteme ausbauen: Mit vorgelagerten, zielgruppenspezifischen Unterstützungssystemen kann dafür gesorgt werden, dass Menschen gar nicht erst in die Sozialhilfe gelangen. Einige Kantone kennen zum Beispiel Ergänzungsleistungen für Familien oder existenzsichernde Stipendien.
  3. Übergänge sichern: Die interinstitutionelle Zusammenarbeit ist weiterhin zu fördern. Denn wenn jemand ausgesteuert wird, vergehen oft einige Jahre, bis diese Person ihr Vermögen aufgezehrt hat, was eine Voraussetzung ist, um überhaupt Sozialhilfe erhalten zu können. Oft verschlechtert sich in dieser Zwischenzeit die gesundheitliche Situation. Die interinstitutionelle Zusammenarbeit mit der IV und den RAV (ALV), wie sie viele Sozialämter betreiben, ist weiterzuverfolgen und zu verstärken.
  4. Intensivere Beratung zu Beginn des Sozialhilfebezugs: Die Sozialhilfe hat eine hohe Dynamik. Bezüglich der Personen, die über ein ganzes Jahr gesehen mindestens einmal Sozialhilfe bezogen haben, gilt nach wie vor die Faustregel: Etwa ein Drittel kommt neu in die Sozialhilfe kommt, ein knappes Drittel wird von der Sozialhilfe abgelöst und rund ein Drittel verbleibt über das gesamte Jahr in der Sozialhilfe. Diese Dynamik ist auch darauf zurückzuführen, dass die Ressourcen in den Sozialämtern häufig so priorisiert werden, dass zu Beginn nach einem Eintritt die Beratung intensiviert wird. Dies gilt es nach wie vor weiterzuführen und zu verstärken.
  5. Soziale Integration bei Langzeitbeziehenden: Auch bei Leuten, die schon länger in der Sozialhilfe sind und bei denen die Integration in den Arbeitsmarkt momentan kein Thema ist, lohnt es sich, in die soziale Integration zu investieren. Etwa in niederschwellige Beschäftigungsprogramme, Treffpunkte für Armutsbetroffene oder den Zugang zur Teilhabe am kulturellen, sportlichen und gesellschaftlichen Leben, etwa durch kostenlose Angebote oder durch reduzierte Eintrittspreise. All diese Massnahmen haben einen begünstigenden Einfluss auf die gesundheitliche Situation der betreffenden Person, wirken stabilisierend und können ein Schlüssel sein, dass auch nach längerem Sozialhilfebezug die Ablösung von der Sozialhilfe möglich wird.

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