Coronakrise: wenn die Fakten für die Sozialdemokratie sprechen

Rund um den Globus sind die Regierungen vom Ausbruch des Coronavirus überrascht worden. Die Reaktionen darauf fielen sehr unterschiedlich aus. Nach einer Phase des Schockstarre, in der einige Regierungen versuchten, das Problem zu ignorieren, schlugen die einzelnen Länder Wege ein, die sich in drei grundsätzliche Herangehensweisen unterteilen lassen. Nur eine davon erweist sich mit fortschreitender Zeit als nachhaltig.

Der erste Ansatz folgt der Maxime des Laissez-faire. Machthaber wie Donald Trump, Wladimir Putin und zunächst auch Boris Johnson taten die Krankheit als „kleine Grippe“ ab und stellten das baldige Erreichen einer Herdenimmunität in Aussicht. Sie relativierten die Zahl der Todesfälle und wiesen darauf hin, dass es sich dabei um ältere oder bereits vor den Virusangriffen geschwächte Menschen handle. In demokratischen Ländern ist es schwierig, diese Strategie über längere Zeit aufrechtzuerhalten. Das Ausmass des menschlichen Tributs ist derart augenfällig und erschreckend, dass die Bevölkerung relativ rasch gesundheitliche und wirtschaftliche Schutzmassnahmen fordert. Dies führt entweder zu einer Kurskorrektur oder zu einer sozialen und gesundheitlichen Katastrophe.

Die zweite Herangehensweise – nach dem Vorbild Chinas – stützt sich auf brutale Autorität und strikte Planung. Diese Strategie geht einher mit einer drastischen Einschränkung der Freiheit. Die fehlende Transparenz solcher Regimes verhindert zuverlässige Aussagen über die Wirksamkeit von Massnahmen. Ohne Meinungsäusserungs- und Diskussionsfreiheit ist das Risiko von Fehlern zudem erheblich erhöht. 

Die dritte Strategie schliesslich wird von der Europäischen Union und den meisten europäischen Ländern umgesetzt. Sie beruht auf einem ganzheitlichen Ansatz, der weitgehend von sozialdemokratischem Gedankengut inspiriert ist und auf folgenden acht Grundsätzen beruht:

1)  Die Fakten akzeptieren und sich auf die wissenschaftliche Forschung verlassen. Dies bedeutete einerseits, zuzugeben, dass es sich bei Covid-19 um eine schwere Krankheit mit einer weitaus höheren Sterblichkeit als jener der saisonalen Grippe handelt, und andererseits anzuerkennen, dass die Pandemie erhebliche sozioökonomische Folgen hat.

2) Das Allgemeinwohl als Ziel definieren. Das zentrale Ziel dieser Staaten war es, sowohl die Gesundheit zu schützen als auch ihre Wirtschaft am Leben zu erhalten. Sie betrachteten die Gesellschaft als Ganzes, ohne einzelne Sektoren oder Regionen gegeneinander auszuspielen.

3) Den Schwerpunkt auf kollektives Handeln und Solidarität setzen. Zur Bewältigung der Krise stützt man sich in Europa stark auf den Service public.

4) Die Bevölkerung einbeziehen. Sensibilisierungskampagnen stärkten die Handlungsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger – etwa hinsichtlich Social Distancing oder Hygienemassnahmen.

5) Niemanden zurücklassen. Die europäischen Staaten folgen keiner sozialdarwinistischen Logik, im Gegenteil. Sie setzen beträchtliche Mittel für den Schutz von Menschen und Unternehmen ein, sei es in gesundheitlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

6) Keine Eingriffe scheuen, solange diese verhältnismässig sind und die Grundrechte respektieren. So haben Staaten Versammlungen, Bewegungen im öffentlichen Raum sowie Risikotätigkeiten eingeschränkt. Diese Massnahmen waren je nach Kontext und Ausprägung der Pandemie unterschiedlich einschneidend: moderater in der Schweiz und Deutschland, drastischer in Italien, Spanien oder Frankreich.

7) Die internationale Dimension einbeziehen. Die europäischen Staaten legten ohne Rücksicht auf Grenzen eine beispiellose Zusammenarbeit an den Tag und tauschten nicht bloss wertvolle Informationen aus, sondern auch Schutzgüter. Die ärmsten Länder ausserhalb des Kontinents behielten sie dabei stets im Fokus.

8) Eine gerechte Verteilung der finanziellen Last gewährleisten. Dieser Aspekt ist bislang noch ungeklärt, wird aber entscheidend sein. Es ist zentral, die Kaufkraft der tiefen und mittleren Einkommen zu erhalten. Darum wird es unerlässlich sein, dass die Zentralbanken einen Teil der neuen Staatsverschuldung übernehmen und der Kreis der sehr Wohlhabenden vorübergehend stärker besteuert wird.

Diese acht Handlungsachsen wiederspiegeln im Kern die sozialdemokratische Herangehensweise. Spannend dabei ist Folgendes: es geht nicht um theoretische Überlegungen. Vielmehr sind es die praktischen Erfahrungen in der Krise, welche es offensichtlich machen, dass diese Herangehensweise am nachhaltigsten ist.

Dieser Erfolg steht in krassem Gegensatz zu den Vorurteilen, die sich in den letzten Jahren gegenüber der Sozialdemokratie hartnäckig gehalten haben: Für die Freisinnigen hindert sie den freien Markt an der Lösung aller Probleme. Für einige Umweltschützer stellt sie die Natur nicht um jeden Preis über den Wohlstand. Für die extreme Rechte hindert sie mit ihrer globalen Perspektive die Nation daran, sich zu entfalten. Für die extreme Linke begeht sie in jedem Fall Verrat, ohne dass je klar wird, welche Werte genau verraten würden.

Dies sind allesamt leere Vorwürfe. Angesichts der ernsthaften Bedrohungen sind Laissez-faire und Individualismus wirkungslos. In dieser Hinsicht ist die Wende von Boris Johnson spektakulär. Innerhalb weniger Tage brach er mit seiner anfänglichen Strategie und ergriff drastische Gesundheitsmassnahmen. 

Ohne einen rationalen, solidarischen, verantwortungsvollen und konstruktiven Ansatz können die Herausforderungen unserer Zeit nicht erfolgreich angegangen werden. Wer hofft, zukünftige Probleme durch Autoritarismus, Egoismus oder die Verarmung grosser Teile der Bevölkerung zu lösen, erliegt einer Illusion, die ins Chaos führt. Die Erfahrungen mit der Pandemie zeigen klar, dass es sozialdemokratische Ideen sind, welche die nachhaltigsten Lösungen versprechen.

Roger Nordmann, Nationalrat, Präsident der SP-Bundeshausfraktion

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